DOSIS

Entwicklung eines optimierten, kombinierten und hochauflösenden Abbildungsverfahrens für die Standorterkundung radioaktiver Endlager (DOSIS)

Layout der Messungen im Projekt 3D-Seismik Asse mit schematischem Schnitt durch den Untergrund. Die modellierte Salzstruktur ist in weiß dargestellt.
Layout der Messungen im Projekt 3D-Seismik Asse mit
schematischem Schnitt durch den Untergrund. Die
modellierte Salzstruktur ist in weiß dargestellt. (Quelle: BGE)
Akquisitionslayout der 2020 im Bereich der Salzstruktur „Asse“ aufgenommenen 3D-seismischen Daten.
Akquisitionslayout der 2020 im Bereich
der Salzstruktur„Asse“ aufgenommenen
3D-seismischen Daten. (Quelle: BGE)

3D-seismische Messungen sind ein Werkzeug zur hochauflösenden Strukturerkundung des Untergrundes mit Hilfe von künstlich erzeugten seismischen Wellen. Je nach verwendeter Messkonfiguration und seismischer Quelle können Strukturen untersucht werden, die in Tiefen von wenigen Metern bis zu über 10 km liegen. Die Genauigkeit der aus den Daten resultierenden Tiefenabbildung von geologischen Schichtgrenzen hängt dabei stark von der Qualität und den Details des verwendeten physikalischen Erdmodells und der genutzten Abbildungsalgorithmen ab. Das Projekt „DOSIS“ wurde initiiert, um ein optimiertes, kombiniertes und hochauflösendes Verfahren zu entwerfen, um zukünftig einen Beitrag zur Beantwortung wichtiger geophysikalischer und geologischer Fragestellungen bei der Standorterkundung von Endlagerstätten in Deutschland leisten zu können. Das Projekt wird durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) finanziert und betreut. Akademische Projektpartner sind die Arbeitsgruppe „Angewandte Geophysik“ des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die Forschung und Software aus dem Bereich der Modellierung von seismischen Wellen mittels finiter Differenzen sowie Full-Waveform-Inversion beisteuert, sowie die Arbeitsgruppe „Seismik“ der TU Bergakademie Freiberg (TUBAF), die sich mit der Weiterentwicklung der sog. Fresnel-Volumen-Migration beschäftigt. Die BGE stellt hierbei die im Jahre 2020 im Bereich der Salzstruktur „Asse“ in Niedersachsen gemessenen, qualitativ sehr hochwertigen 3D-seismischen Daten zur Verfügung, anhand derer neue Methoden und Verfahren getestet werden können.

                                                                                

 

Flussdiagramm der Full-Waveform-Inversion. Durch die iterative Durchführung dieser Schritte wird ein Modell gefunden, das die gemessenen Daten beschreibt.
Flussdiagramm der Full-Waveform-Inversion. Durch die
iterative Durchführung dieser Schritte wird ein Modell gefunden,
das die gemessenen Daten beschreibt. (Quelle: GPI KIT)

Das Prinzip der Full-Waveform-Inversion (FWI) basiert auf der Simulation seismischer Daten im Computer anhand eines vorgegebenen Erdmodells unter Verwendung der im Feld genutzten Messkonfiguration. Die durch Finite-Differenzen (FD) Modellierung simulierten Daten werden im Anschluss mit den gemessenen Felddaten verglichen – Abweichungen zwischen den Datensätzen werden dabei auf ein fehlerhaftes Erdmodell zurückgeführt. Anhand der Differenz der Datensätze kann nun durch einen rechenintensiven Algorithmus das Erdmodell verbessert werden. Dieser Prozess der Simulation seismischer Daten, Vergleich mit Felddaten und Aktualisierung des Erdmodells wird wiederholt, bis die Differenz zwischen simulierten Daten und Felddaten möglichst klein und damit das ermittelte Erdmodell möglichst gut ist. Im Gegensatz zur klassischen Laufzeittomographie nutzt FWI dabei nicht nur die Laufzeiten der seismischen Wellen (Phase), sondern auch deren Amplituden, so dass in einem geeigneten Zeitfenster bis zu einer bestimmten Frequenz eine möglichst gute Übereinstimmung der Daten in Phase und Amplitude erzielt wird. Dieses Verfahren erlaubt es, Erdmodelle physikalischer Parameter mit besserer Auflösung zu bestimmen als dies mit klassischer Tomographie möglich wäre. Wichtig hierbei ist, die Simulation seismischer Daten im Computer realistisch zu gestalten und wichtige physikalische Phänomene wie Anisotropie oder Dämpfung zu berücksichtigen.

 

Schematische Darstellung des Abbildungsprinzips der Fresnel-Volumen-Migration.
Die Abbildung wird auf den Teil der Zwei-Wege-Laufzeitisochrone beschränkt,
die innerhalb des Fresnel-Volumens liegt. (Quelle: TUBAF)

Die Fresnel-Volumen-Migration (FVM) basiert auf der klassischen Kirchhoff-Migrationsmethode. Im Gegensatz zu dieser werden jedoch Amplituden des zu migrierenden seismischen Datensatzes nicht entlang von kompletten Isochronen (Flächen gleicher Reflexionslaufzeit) verteilt, sondern der Migrationsoperator wird auf den physikalisch relevanten Teil um den eigentlichen Reflexionspunkt herum mit Hilfe von Fresnel-Volumen beschränkt. Hierfür ist zunächst in den Felddaten der Auftauchwinkel von Wellen am Empfänger zu bestimmen. Dieser wiederum erlaubt, Strahlen als Teil des Abbildungsalgorithmus gerichtet in den Untergrund zurückzupropagieren und sich somit während einer Migration hauptsächlich auf die kohärenten Wellenfeldanteile konzentrieren zu können. Dieses Verfahren ermöglicht daher fokussierte Abbildungen mit verbessertem Signal-zu-Rauschen Verhältnis, auch von steilen und komplexen Strukturen wie zum Beispiel Flanken von Salzkörpern oder Störungen im Untergrund, wie sie auch im Bereich der „Asse“ anzutreffen sind.

 

Schnitt durch die Schachtanlage der Asse. Es zeigt die sehr komplexe Geologie mit den steil stehenden Flanken der Salzstruktur und den Störungen in den das Salz überlagernden Sedimentschichten. (Quelle: nach Thömmes & Gömmel, 2004, und Szymaniak & Schäfer, 2002)
Schnitt durch die Schachtanlage der Asse. Es zeigt die sehr komplexe Geologie mit den steil
stehenden Flanken der Salzstruktur und den Störungen in den das Salz überlagernden 
Sedimentschichten. (Quelle: nach Thömmes & Gömmel, 2004, und Szymaniak & Schäfer, 2002)

Im Rahmen des Projekts „DOSIS“ werden einerseits die Simulation elastischer Wellen mittels finiter Differenzen sowie die damit verbundene Full-Waveform-Inversion als auch die Fresnel-Volumen-Migration erweitert, so dass Anisotropie (Richtungsabhängigkeit physikalischer Parameter wie z. B. der Ausbreitungsgeschwindigkeit seismischer Wellen) als auch inelastische Dämpfung für eine detailgetreue Charakterisierung der komplexen Geologie im Bereich der „Asse“ berücksichtigt werden können. Die optimierte Kombination der Verfahren soll es dabei erlauben, rekonstruierte Multiparametermodelle (P- und S-Wellenausbreitungsgeschwindigkeit, Dichte, Qualitätsfaktoren zur Beschreibung inelastischer Dämpfung sowie Anisotropieparameter) mit hoher Auflösung zu erstellen sowie möglichst effizient zu testen, um ein detail- und lagegetreues Strukturabbild des Untergrundes zu erhalten. Es wird erwartet, dass sich aus der verbesserten räumlichen Auflösung der physikalischen Parameter und einem gut fokussierten Strukturabbild im Vergleich zu klassischen Tiefenabbildungsverfahren neue Erkenntnisse und Aussagen über die geologische Struktur unterhalb der „Asse“, insbesondere über die äußere Form der Salzstruktur und die Flankenbereiche des Salzsattels aber gegebenenfalls auch über die vermutlich sehr heterogenen Bereiche im Innern des Salzsattels, gewinnen lassen. Des Weiteren erlaubt eine Multiparameterabbildung im Idealfall eine verbesserte Gesteinscharakterisierung bezüglich des Spannungszustandes (Anisotropie) und Indizien für mögliche Fluidwege (Poisson-Verhältnis, Dämpfung) sowie die Bestimmung der elastischen Module des Untergrundes anhand von seismischen Messungen an der Erdoberfläche. Die Ergebnisse können in Zukunft für die Beantwortung diverser geowissenschaftlicher Fragestellungen, z. B. der Bewertung und Analyse des Spannungszustandes oder dem Auftreten von Mikroseismizität, eine wichtige Rolle spielen und zusätzliche Informationen für eine gemeinsame Interpretation liefern. Ferner bilden sie zusammen mit weiteren geowissenschaftlichen und geotechnischen Untersuchungen eine wichtige Grundlage für die Planung der Rückholung radioaktiver Abfälle aus dem nuklearen Endlager „Asse“ durch eine präzisere Lagebestimmung von Grenzflächen und der Charakterisierung von Heterogenitäten. Die im Projekt entwickelten Methoden und Verfahren sowie durch Tests gewonnene Erfahrungen können in Zukunft für die übertägige Erkundung von anderen Standorten der Wirtsgesteine Salz in flacher Lagerung, Salz in steiler Lagerung und Tongestein verwendet werden.  

 

Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH, Eschenstraße 55, 31224 Peine – Kontakt: Maximilian Scholze

Karlsruher Institut für Technologie, Kaiserstr. 12, 76131 Karlsruhe – Kontakt: Dr. Lars Houpt; lars.houpt∂kit.edu

Technische Universität Bergakademie Freiberg, Akademiestr. 6, 09599 Freiberg – Kontakt: Prof. Dr. Stefan Buske; buske∂geophysik.tu-freiberg.de

·  Achim Thömmes, Reiner Gömmel (eds., 2004): Schachtanlage Asse (leaflet). GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Remlingen

·  Tanja Szymaniak, Michael Schäfer (2002): Geologisch-tektonische Kartierung der Salzstruktur Asse im Subhercynen Becken. Graduate mapping, Technische Universität Clausthal, Institut für Geologie und Paläontologie, Clausthal-Zellerfeld