Der Versuch besteht aus zwei Stationen, an denen die Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen im rotierenden System experimentieren können. Auf diese Weise können alle Teilnehmer alle Stationen erleben. Dabei erforschen sie, wie Erdbeben aufgezeichnet werden, wie unterschiedliche Messgeräte zur Erdbebenaufzeichnung funktionieren und wie man anhand der Aufzeichungen herausfindet, wo ein Erdbeben stattgefunden hat. Die Schülerinnen und Schüler führen die Untersuchungen an realen Seismogrammen durch, die mit dem Horizontalseismometer im Schülerlabor aufgezeichnet wurden.
Station Horizontalseismometer und Datenauswertung
An der ersten Station ist ein Horizontalseismometer aufgebaut, das während des normalen Betriebs mit einer Datenerfassung verbunden ist, für die Dauer des Versuchs jedoch von dieser entkoppelt wird. Die Schülerinnen und Schüler machen sich mit dem Aufbau dieses empfindlichen Messgeräts vertraut und stellen sicher, dass der Pendelarm reibungsfrei aufgehängt ist. Sie versetzen den Pendelarm in Schwingung, messen deren Periodendauer und stellen das Gerät so ein, dass mit dem Messgerät Erdbeben aufgezeichnet werden können. An dieser Station analysieren die Schülerinnen und Schüler außerdem mit Hilfe einer Auswertesoftware Seismogramme, die mit dem Horizontalseismometer am KIT aufgezeichnet wurden. Sie führen eine digitale Filterung der Aufzeichnungen durch, bestimmen die Entfernung des Erdbebenherds von der Messstation und dessen Tiefe und schätzen die Magnitude des Erdbebens ab.
Station Akzellerometer
An der zweiten Station steht den Schülerinnen und Schülern ein Akzellerometer zur Verfügung - ein Erdbebenmessgerät, das Beschleunigungen des Bodens aufzeichnet. Es ist direkt mit einem Laptop verbunden, so dass die Erschütterungen in Echtzeit dargestellt werden. Diese Erschütterungen können jedoch nicht nur durch ein Erdbeben verursacht werden, sondern von den Schülerinnen und Schülern an der Station auch selbst erzeugt werden: durch Klopfen auf und an den Tisch oder durch Bewegen des Messgeräts. Die Schülerinnen und Schüler versuchen auf diese Weise künstliche Beben zu erzeugen. Außerdem entwickeln sie Ideen zur Dämpfung der Erdbebenwellen und setzen diese direkt um.
Die Struktur des Erdinneren können wir nicht durch direkte Beobachtungen erkunden. Die Messung und Interpretation von Erdbebenwellen erlaubt es uns jedoch, Rückschlüsse auf die Struktur und Zusammensetzung des Erdinnern zu schließen.
Bei einem Erdbeben handelt es sich um einen Bruch im Gestein, der je nach Magnitude des Erdbebens wenige Zentimeter groß sein kann (Mikrobeben), aber auch Flächen von mehreren tausend Quadratkilometern einnehmen kann. Während des Bruchvorgangs werden elastische Wellen erzeugt, die in einiger Entfernung vom Erdbebenherd als Kompressions- bzw. Scherwellen beobachtet werden können. Diese elastischen Wellen breiten sich in der Erde aus und werden deshalb auch als Raumwellen bezeichnet. Sie erreichen je nach Stärke der Anregung auch entfernt gelegene Messstationen. So können in Karlsruhe zum Beispiel Erdbeben aus Japan, Neuseeland oder Südamerika aufgezeichnet werden.
Die Kompressionswellen, die am Erdbebenherd gleichzeitig mit den Scherwellen abgestrahlt werden, breiten sich schneller aus als diese, und werden deshalb auch Primärwellen (oder kurz: P-Wellen) genannt. Die Scherwellen bezeichnet man entsprechend als Sekundärwellen (oder kurz: S-Wellen). Beim Durchgang einer P-Welle durch ein Medium schwingen die Partikel in Ausbreitungsrichtung der Welle vor und zurück, ähnlich wie bei einer Spiralfeder. Durchläuft eine S-Welle ein Medium, so schwingen die Partikel senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle. Je weiter die Messstation vom Erdbebenherd entfernt ist, um so größer wird der zeitliche Abstand zwischen P- und S-Wellen in der Aufzeichnung der Bodenbewegung an einer Messstation - dem Seismogramm. Sind die Ausbreitungsgeschwindigkeiten der Wellen in etwa bekannt, lässt sich auf diese Weise schnell eine erste Abschätzung der Entfernung zwischen Messstation und Erdbebenherd durchführen.
Raumwellen werden beim Auftreffen auf eine Grenzschicht innerhalb der Erde reflektiert und gebrochen, so ähnlich, wie das bei Licht an der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser passiert. Da es zwei Raumwellentypen gibt, tritt hier aber noch ein weiteres Phänomen auf: Aus P-Wellen können an Grenzflächen S-Wellen erzeugt werden und umgekehrt. Dabei spricht man von Wellenkonversion. Auch diese reflektierten und konvertierten Phasen sind im Seismogramm zu erkennen. Aus ihnen lassen sich Rückschlüsse über die Struktur des Erdinnern ziehen. So können Seismologen in einem Seismogramm unterscheiden, welche Wellen auf direktem Weg zur Messstation gelangt sind und welche an den verschiedenen Grenzflächen innerhalb der Erde reflektiert, gebrochen oder gebeugt wurden.
Aus der Überlagerung von Raumwellen entstehen an der Erdoberfläche nach einem Erdbeben außerdem Oberflächenwellen. Sie breiten sich langsamer aus als die S-Wellen und ihre Amplitude nimmt mit der Entfernung vom Erdbebenherd nicht so stark ab wie die der Raumwellen. In Seismogrammen, die weit entfernt vom Erdbebenherd aufgezeichnet wurden, sind die Oberflächenwellen als dominantes Signal zu erkennen. Oberflächenwellen können nach starken Erdbeben mehrmals um die Erde herum laufen und so mehrfach an der gleichen Messstation aufgezeichnet werden.
Im Seismometerversuch erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Einblick in die Registrierung von Erdbebenwellen, den sogenannten Seismogrammen, und in die Interpretation dieser Aufzeichnungen. Geophysiker verwenden Seismogramme, um Erdbebenbruchmechanismen zu verstehen, eine bessere Abschätzung der Gefährdung durch Erdbeben zu erhalten und den inneren Aufbau der Erde zu erkunden.
Physikalische Zusammenhänge werden in diesem Versuch auf anschauliche Weise verdeutlicht: Das Messgerät agiert bei der Aufzeichnung der Erdbebenwellen wie ein gedämpftes Pendel. Die Umwandlung des mechanischen Signals in ein elektrisches Signal erfolgt über das Prinzip der elektromagnetischen Induktion. Kenntnisse über die Ausbreitung elastischer Wellen, Reflexion und Brechung sind bei der Interpretation der Seismogramme notwendig. Die Schülerinnen und Schüler verknüpfen auf diese Weise die physikalischen Zusammenhänge, die sie aus der Schule bereits kennen, mit der praktischen Anwendung.
Der Seismometerversuch des GPI zeigt den Schülerinnen und Schülern aber auch, wie wichtig die Interdisziplinarität in den Naturwissenschaften ist. Um zu verstehen, warum und in welchen Regionen der Erde Erdbeben auftreten, werden auch Kenntnisse aus dem Bereich des Geographieunterrichts benötigt.
Für den Seismometerversuch stellen wir Ihnen Unterichtsmateralien zur Verfügung, um den Besuch am Geophysikalischen Institut mit den Schülerinnen und Schülern inhaltlich vorzubereiten. Die Materalien sind modular aufgebaut und eignen sich für Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse. Das erste Modul beschäftigt sich mit der Entstehung von Erdbeben, das zweite mit Schwingungen und Wellen und im dritten Modul wird intensiv auf die seismologische Messtechnik eingegangen und es werden seismologische Auswerteverfahren erläutert.
Der Schülerversuch sowie die vorbereitenden Materialien entstanden im Rahmen der Staatsexamensarbeit von Frau Nicole Pulch an der Fakultät für Physik im Jahr 2012.
Wenn Sie Interesse an der Versuchsdurchführung und den Unterrichtsmaterialien haben, wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Ellen Gottschämmer.