Angestrebt wird die Erstellung eines 3-D Modells der elastischen Anisotropie im oberen Erdmantel unter Zentraleuropa. Das Modell soll zum Verständnis rezenter sowie vergangener geologischer und geodynamischer Prozesse wie dem asthenosphärischen Mantelfluss und der lithosphärischen Deformation beitragen. Gemessen wird die Scherwellen-Doppelbrechung von Kernphasen (hauptsächlich SKS- und SKKS-Phasen). Zusätzlich werden numerische Simulationen der 3-D Wellenfeldpropagation berechnet, um die Konsistenz der Messungen und Modelle zu überprüfen.
Die bisherigen Messungen der Scherwellen-Doppelbrechung an (semi-) permanenten breitbandigen Messstationen (> 20 Jahre) im Gebiet des Oberrheingrabens (Abb. 1) zeigen laterale und rückazimutale Variationen. Die Doppelbrechungsparameter (schnelle Polarisationsrichtung relative zu Nord ϕ und Verzögerungszeit δt) ändern sich (Abb. 2). Solche Variationen sind eindeutige Indizien für vertikale als auch (kleinräumig) laterale Variationen der Anisotropie. Unterschiede ergeben sich zwischen der Ostseite und der Westseite des Oberrheingrabens sowie zwischen den tektonischen Einheiten des Moldanubikums im Süden und des Saxothuringikums im Norden.
Abb. 1. Gebiet des Oberrheingrabens mit (semi-) permanenten seismologischen Messstationen (inverse Dreiecke), verschiedene Farben bedeuten unterschiedliche Bearbeitungszustände. Braune Linien trennen die tektonischen Großeinheiten (Moldanubikum, Saxothuringikum und Rhenoherzynikum). Die Weltkarte in der oberen rechten Ecke zeigt die Verteilung der untersuchten Erdbeben.
Abb. 2. Visulisierung der bisherigen Scherwellen-Doppelbrechungsmessungen als Stereoplots. Die Orientierung und Farbe der Balken entspricht der schnellen Polarisationsrichtung (relativ zu Nord ϕ) und ihre Länge der Verzögerungszeit δt nach der Doppelbrechung. Die schwarz umrandeten weißen Punkte sind Messungen ohne erkennbare Doppelbrechung. Die Variationen der Messungen weisen auf eine komplexe Anisotropie in der Tiefe hin.